„Ich habe eine kosovarische und eine schweizerische Identität“, bekennt Drenusha Shala. 1989 in Kosovo geboren, kam sie mit sieben als Flüchtlingskind in die Schweiz, besuchte die Schulen in einer Zürcher Landgemeinde und machte eine kaufmännische Lehre mit Berufsmatura. Kaum hatte sie begonnen, an der St. Galler Hochschule für Angewandte Wissenschaften Betriebsökonomie zu studieren, gründete sie 2011 mit Kollegen der Universität St. Gallen die Firma Baruti GmbH. Alle drei Firmengründer sind kosovarisch-schweizerische Doppelbürger und ergänzen sich gut. In ihrer Firma sei Flamur Shala, mit dem Drenusha nicht verwandt ist, der kreative Kopf, sagt die 25-jährige Chefin. Muhamet Veliu verstehe am meisten von Finanzen. Und sie selbst sei „leidenschaftlich gern Managerin“.
Jobchancen für zurückkehrende „Secondos“
Die Jungunternehmerin schreibt den Erfolg ihrer Firma auf einem umkämpften Markt zu 10 Prozent dem „Riesenglück“ zu, dass sie in der Schweiz ausgebildet wurde. 90 Prozent führt sie auf die Motivation der Gründer zurück, „das grosse wirtschaftliche Potenzial in Kosovo zu nutzen“. Das jüngste Land Europas eignet sich wegen des tiefen Lohnniveaus und des Überangebots an Arbeitskräften als Standort, um kostengünstig via Telekommunikation Dienstleistungen für Kunden und Firmen auf ausländischen Märkten zu erbringen. Die Firma Baruti schätzt das Potenzial, aus dem sie Mitarbeitende in Kosovo rekrutiert, auf 3‘500 bis 4‘000 deutschsprachige „Secondos“. Sie wurden nach dem Krieg um Kosovo in vielen Fällen gezwungen, in ihre Heimat zurückzukehren. Seither leiden sie unter der hohen Jugendarbeitslosigkeit im Land.
An diesem Punkt setzt das Programm „Förderung der Beschäftigung für junge Menschen“ an, das Helvetas im Auftrag der DEZA in Kosovo durchführt. Das mit 7,2 Millionen Franken für die Jahre 2013 bis 2016 dotierte Programm enthält unter anderem einen Opportunitätsfonds. „Wir unterstützen damit innovative Ideen, durch die Unternehmen weiterwachsen und neue Arbeitsplätze schaffen können“, sagt Heini Conrad, Helvetas-Programmleiter in Kosovo. In Pristina lernte er an einem Geschäftsessen mit der Schweizer Botschaft Baruti-Mitbegründer Muhamet Veliu kennen.
Jungunternehmer investieren in Qualität
Nach einem Besuch des Unternehmens war Conrad von dessen seriöser Arbeit so überzeugt, dass er anerbot, Vorschläge zu prüfen, die das weitere Wachstum der Firma unterstützen. Als das Jungunternehmen das Qualitätsmanagement verbessern und zertifizieren lassen wollte, finanzierte der Opportunitätsfonds 60 Prozent der Projektkosten. Dank dieser Förderung erlangte Baruti im April 2014 zwei ISO-Zertifikate für die Qualität der Geschäftsabläufe und für die sichere Speicherung sensibler Daten von Partnern und Kunden. Im selben Jahr gewann die Firma gegen harte Konkurrenz den Grossauftrag eines deutschen Konzerns.
Geschäftsführerin Drenusha Shala gesteht, die Kosten von mehr als 32‘000 Euro für die Qualitätszertifikate hätte die Firma allein nicht aufbringen können. „Nun haben wir durch die ISO-Zertifizierung bei unseren Kunden an Glaubwürdigkeit gewonnen“, sagt sie. In Pristina hebt sich das Jungunternehmen noch aus anderen Gründen von der Call Center-Branche ab, deren Ruf wegen mehrerer schwarzer Schafe arg gelitten hat. Baruti zahlt laut Drenusha Shala den Mitarbeitenden einen Lohn, der 60 Prozent über dem Mindestlohn liegt. Zudem prägt die halb schweizerische, halb kosovarische Mentalität der Chefin den Führungsstil im Haus. Sie sagt zu ihren Mitarbeitenden: „In den Geschäftsräumen arbeiten wir nach Schweizer Regeln; auf Kosovo mit seinen anderen Gepflogenheiten schauen wir durchs Fenster.“
Richard Diethelm